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“Es ist eine Ehre für diese Stadt, diesen Verein
und die Bewohner Nürnbergs zu spielen.
Möge all dies immer bewahrt werden
und der großartige FC Nürnberg niemals untergehen.”
(Heiner Stuhlfauth)

Stefan “Steff” Reisch

geboren am 29.11.1941;

Reisch absolvierte von 1960 bis 1963 81 Oberligaspiele für den Club, wobei ihm 8 Treffer gelangen. Von 1963 bis 1967 spielte er 86mal in der Bundesligamannschaft und erzielte dabei 9 Tore. Insgesamt trug er 277mal das Clubtrikot. 1961 erspielte er mit dem FCN die deutsche Meisterschaft, 1962 den DFB-Pokal. Er wurde auch in der DFB-Jugendauswahl eingesetzt und brachte es bis zum Nationalspieler.

Die Familie Reisch verließ, wie die meisten Donauschwaben, nach dem 2. Weltkrieg ihre Heimat in Ungarn. Sie hatten dort in einem kleinen Dorf namens Nemetker gelebt, was so viel wie „deutsches Dorf“ bedeutet. Auf abenteuerlichen Wegen kamen sie nach Deutschland. In Herrieden bei Ansbach wurden sie aufgenommen. Reisch sagte später über diese Zeit: „Wir waren damals bettelarm.“ Der Vater fand schließlich eine Anstellung und schuftete als Arbeiter in einer Druckerei in Langwasser. Für ein paar ordentliche Fußballstiefel für Steff reichte es aber nicht. Der versuchte sich zuerst beim TSV Herrieden, später dann in Moorenbrunn, nachdem die Familie dorthin umgezogen war. Darauf wechselte er zum TSV Altenfurt. Als diesem Verein die Betreuer ausgingen, schloss er sich 1955 dem 1. FC Nürnberg an.

Steff war überaus ehrgeizig. Das dreimalige Training pro Woche reichte ihm nicht. Jeden Abend rannte er durch die nahen Wälder. Bald wurde sichtbar, dass es mit dem gelernten Möbelkaufmann  schnell bergauf ging. Über die süddeutsche Auswahl kam er in die Jugendnationalmannschaft und traf hier auf den späteren Bundestrainer Helmut Schön. 

Der Steff wurde 1960 von Herbert Widmayer von der Clubjugend in die Erste geholt und hatte das Glück, in eine tolle Mannschaft hineinzuwachsen. Mit 19 war er schon deutscher Meister. Im Meisterschaftsendspiel 1961 gegen Borussia Dortmund erhielt er vom größtenteils neutralen Publikum Szenenapplaus. Die Belohnung für diesen Erfolg war - verglichen mit heutigen Verhältnissen - eher dürftig. Reisch selber dazu: “ Für die einzelnen gewonnenen Endrundenspiel hat jeder Spieler 200 Mark und für die Deutsche Meisterschaft ein Herkules­Fahrrad bekommen sowie 1.000 Mark Siegprämie pro Mann und ein Mannschaftsfoto.” Als Lizenzspieler verdiente er damals nach eigener Aussage zwischen 400 und 450 Mark im Monat. Doch noch heute erscheint ihm das nicht zu wenig: “Wenn man bedenkt, dass ein einfacher Angestellter 400 bis 500 Mark bekam, dann haben wir damals beim Club mit der Halbtags­Beschäftigung etwa das Doppelte erhalten. Außerdem habe ich ja auch noch halbtags als Verkäufer bei Möbel Wermuth gearbeitet.”

Abbildung entnommen aus Wich/Kelber: Der Meisterclub
Die Pokalsieger-Elf von 1962
oben v.l.n.r.: Tasso Wild, Rolli Wabra, Richard Albrecht, Heinz Strehl,
Gustl Flachenecker, Nandl Wenauer, Paul Derbfuß, Helmut Hilpert;
unten v.l.n.r.: Kurt Haseneder, Steff Reisch, Kurt Dachlauer.


Abbildung entnommen aus Wenauer/Hahl: Alle meine Trainer
Nach dem Pokalsieg war erstmal feiern angesagt.
V.l.n.r.: Rolli Wabra, Richard Albrecht, Heinz Strehl,
Gustl Flachenecker, Nandl Wenauer und Steff Reisch

Der Außenläufer, der sich schnell als großartiger Techniker entpuppte, machte eine Blitzkarriere. Durch seine artistische Ballbehandlung, seine Täuschungsmanöver, seine zentimetergenauen Pässe, seine raumöffnenden Dribblings und sein Trickrepertoire riss er die Zuschauer zu Beifall auf offener Szene hin und wurde schnell zu Nürnbergs neuem Publikumsliebling, der wegen seines Lockenkopfes besonders von den weiblichen Fans umschwärmt wurde. Als die Bundesliga die Fußballwelt veränderte, war er schon Nationalspieler.

Reisch war ein Spieler vom Typ des ballverliebten, flinken Dribblers. Das Wort „Nerven“ kannte er nicht. Manchmal eiferte er seinem Idol  James Dean jedoch zu sehr nach, so dass ihm seine Kaltschnäuzigkeit auf dem Platz zu nachlässiger Arroganz geriet.

Ein ehemaliger Teamgefährte charakterisierte ihn mit den Worten: „Der Steff würde am liebsten die Ecke treten, nach innen laufen und noch ein Tor machen.“

Am 30. September 1962 feierte er seinen Einstand in der Nationalelf und trug zusammen mit Strehl den Hauptanteil zum 3:2-Sieg über Jugoslawien in Zagreb bei. Insgesamt absolvierte er  9 Länderspiele. Ganz kurz durfte er auch von einer Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Chile träumen, aber die kam für ihn dann doch etwas früh. So wurde er wieder aus dem 40er-Kader gestrichen.

Der Vollblutfußballer machte in der Saison 1963/64 seinem Ärger über Jenö Csaknady, dessen Taktik, hinten dicht zu machen und ja kein Tor zuzulassen, ihm gegen den Strich ging, öffentlich Luft. Besonders die Marschorder, die es den Abwehrspielern verbot, die Mittellinie zu überschreiten, ging Reisch überhaupt nicht in den Kopf. Er, der Fußball „frei nach Schnauze“ spielen und sich instinktiv der jeweiligen Situation anpassen wollte, verstand die Welt nicht mehr, als sich sein Aktionsradius nur auf ein bestimmtes Planquadrat beschränken sollte. Nach der Ablösung Herbert Widmayers durch Jenö Csaknady hatte Reisch auch gleich den Zorn des neuen Trainers zu spüren bekommen. Nandl Wenauer berichtete davon: “Widerspruch ließ Csaknady erst gar nicht aufkommen. Wenn er merkte, dass der Steff Reisch oder der Tasso Wild mal aufmuckten, was bekanntlich vorkommen kann, forcierte er das Tempo im Training und prophezeite: ‘Ihnen gebe ich 30 Minuten, dann sterben Sie!’”

Nicht viel besser ging es ihm in der Saison 1964/65, denn der neue Trainer Gunter Baumann äußerte über ihn: „Das ist ein Spieler für die C-Klasse!“

Im Sommer 1967 wurde er von Trainer Max Merkel, mit dem er nicht mehr zurechtkam, vom Training ausgeschlossen und ausgemustert. Reisch könne zwar alles am Ball, sei aber, was die athletische Durchbildung und die Schnelligkeit angehe, nicht mehr tragbar gewesen, meinte Merkel. Im Anschluss spielte er ein Jahr in der Schweiz bei Xamax Neuchatel und in Belgien beim FC Brügge. Das Engagement in der 2. schweizerischen Liga war in jeder Hinsicht ein Rückschritt. Er war der einzige Profi unter lauter Amateuren, die ganztags arbeiteten und deshalb auch nur dreimal in der Woche nachmittags trainierten. Sein Kommentar dazu: „Sportliche Befriedigung finde ich hier kaum.“ Allerdings wurde er gut entlohnt. Darüber sagte er: „Finanziell stelle ich mir hier genauso gut, als wenn ich in der Bundesliga um den Titel mitkämpfen würde.“ In Belgien blieb er 2 Jahre und erlebte dort so etwas wie einen zweiten Fußballfrühling. 1970 holte ihn Helmut Benthaus als Mittelfeldmotor zum FC Basel. 2  Jahre später machte er endgültig Schluss mit dem Profifußball.

Nach Beendigung seiner Karriere betrieb er in der Äußeren Sulzbacher Straße eine Toto-Lotto-Annahmestelle. Vom Fußball kam er dennoch nie so richtig los. Er war Spielertrainer bei den Würzburger Kickers, beim ASV Neumarkt, bei Jahn Regensburg und bei der SpVgg Büchenbach, Trainer in Ansbach und Amberg und betreute etliche Amateurvereine in der fränkischen Provinz, darunter den TSV Flachslanden. Zuletzt trainierte er den VfL Nürnberg.

Im Zusammenhang mit seiner vielfachen Tätigkeit als Trainer sorgte Reisch im März 1982 für einen kleinen Skandal. Der Kicker berichtete darüber: “Die Verantwortlichen des SSV Jahn Regensburg wissen nicht, ob sie weinen oder lachen sollen. Anfang Februar verpflichtete der Vorstand des SSV Jahn den ehemaligen Nationalspieler des 1. FC Nürnberg, Stefan Reisch, als neuen Trainer. Doch kaum war der Wirbel um den Trainerwechsel abgeklungen, explodierte beim aufstiegsorientierten SSV Jahn neuer Zündstoff. Stefan Reisch ließ die Jahn-Elf im Stich. Beim Auswärtsspiel am 28. Februar beim damaligen Schlusslicht ASV Herzogenaurach meldete er sich krank. Das Jahn-Team verlor 0:2. Reisch spielte aber - kerngesund - zum gleichen Zeitpunkt für den B-Klassisten TSV Flachslanden als Spielertrainer. Er gewann mit seinem ‘zweiten Team’ 1:0 gegen Bürglein. Nach Bekanntwerden dieses Vorfalles schlugen die Wellen in Regensburg hoch. Die Mannschaft wurde vom Vorstand aufgefordert, über den Verbleib von Reisch, der seinen Rücktritt anbot, zu entscheiden. In einem Kompromiss wurde beschlossen, dass der Nürnberger bis zum Ende der Saison bleiben soll. Der zweite Vorstand des SSV Jahn, Dieter Halbgebauer, sieht die Dinge so: ‘Blamiert sind wir so oder so. Fußball ist halt nicht mehr so eine saubere Geschichte. Anderswo sitzen Trainer besoffen auf der Bank!’” Zwei Wochen später zitierte der Kicker den Übeltäter folgendermaßen: “’Das war eine einmalige Verfehlung, die ich inzwischen bereue. Aber die Begegnung in Bürglein war von ganz enormer Bedeutung. Wenn sich die Termine sonst überschneiden, geht der SSV Jahn natürlich vor’, sagt Reisch heute. Der ehemalige Nationalspieler hat sich inzwischen bei der Mannschaft und dem Vorstand des SSV Jahn entschuldigt und aufgrund dieses Vorfalls auf sein Gehalt für den Monat Februar verzichtet.”