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“Es ist eine Ehre für diese Stadt, diesen Verein
und die Bewohner Nürnbergs zu spielen.
Möge all dies immer bewahrt werden
und der großartige FC Nürnberg niemals untergehen.”
(Heiner Stuhlfauth)

Alfred “Spezi” Schaffer


Abbildung entnommen aus Bausenwein u.a.: Die Legende vom Club

geboren am 24. August 1893; gestorben am 30. August 1945.

Schaffer absolvierte von 1919 bis 1920 25 Spiele für den 1. FCN.

Der in Preßburg geborene Ausnahmespieler, von der Abstammung her ein Donauschwabe, war als Mittelstürmer nicht nur der Mittelpunkt des Sturms des MTK Budapest, mit dem er am 22. Juli 1919 in Nürnberg gastierte und den Cluberern eine 0:3-Niederlage beibrachte, er war auch der erste große Star, der in Deutschland seine Fußballstiefel schnürte. Zudem darf er als erster Vollprofi auf dem europäischen Kontinent angesehen werden. Nach dem Spiel in Nürnberg urteilte der damalige Spielausschussvorsitzende des 1. FCN, Hans Hofmann: “Diese Mannschaft spielte einen Czardas ins Fußballerische übertragen, und der Primgeiger war Schaffer!”

Als kleines Kind kam er mit seinen Eltern nach Budapest. Übersiedlungen aus einem Teil der Donaumonarchie in den anderen waren gang und gäbe. Hier tat er seine ersten fußballerischen Schritte, hier wurde er berühmt und von hier aus zog er in die große, weite Fußballwelt und eroberte sie. Hierher kehrte er stets zurück, egal wie viele Erfolge er woanders auch hatte oder wie gut es ihm dort ging. Sein Name ist eng mit der ungarischen Hauptstadt verbunden. Dies ging so weit, dass auf seinem Grabstein sogar fälschlicherweise Budapest als Geburtsort angegeben wurde.

Wie die meisten berühmten Fußballer seiner Zeit begann auch der kleine Alfred auf der Straße dem Fetzenball nachzujagen. Das Talent bekam er in die Wiege gelegt, so dass schon bald die ersten Vereine auf ihn aufmerksam wurden. Als Achtjähriger landete er bei seinem allerersten Klub SC Typographia Budapest. Dann ging es Schlag auf Schlag weiter. Schaffer wechselte die Vereine schon als Knirps wie andere Leute ihre Hemden. Von Typographia zog es ihn zunächst zu Lipotvárosi TE Budapest, dann zu Ferencváros Budapest, BTK KAOE Budapest, Fövárosi TC und schließlich wieder zu Ferencváros. Im Alter von 18 Jahren landete er bei Tatabanya.

In zehn Jahren hatte er bereits für sieben Vereine gespielt. Der nächste war BAK von 1912 bis 1913. Dann legte sich sein Wechselfieber für ein paar Jahre. Beim MTK Budapest hielt Schaffer es immerhin fünf Jahre aus - von 1914 bis 1919 und wurde dabei viermal ungarischer Meister und zweimal Torschützenkönig.

Von Erfolg gekrönt war auch Schaffers Karriere im Trikot der ungarischen Nationalmannschaft. Dort debütierte er am 7. November 1915 in Budapest gegen Österreich. Er bestritt 15 Länderspiele in Folge, in denen er 17 Treffer markierte. Sein letztes Auswahlspiel bestritt Schaffer am 6. April 1919 gegen Österreich ebenfalls in Budapest. Von seinen 15 Länderspielen waren allein 14 gegen Österreich und nur eines gegen die Schweiz. Ungarn und Österreich trugen damals die meisten Länderspiele gegeneinander in der Welt aus.

Schaffer war sowohl in fußballerischer wie auch in körperlicher Hinsicht der größte Mittelstürmer seiner Zeit. Der berühmte Fußballautor Richard Kirn schildert ihn folgendermaßen: “Ein Ungar zwar, doch nicht, wie man sich Ungarn gemeinhin vorstellt: blondlockig, breit, behäbig. Wenn er die bayerische Tracht trägt, die kurze Wichs, dann sieht er aus wie ein Sennbub aus einem Ganghoferroman. Er bewegt sich auf dem Feld fast langsam, aber er geht mit dem Ball um, dass das ganze Spiel um ihn herum zu tanzen beginnt - und wenn er schießt: Er hat einen erschreckenden Schuss!”

Geschmeidig umtanzte er seine Gegenspieler, schlug Traumpässe, erzielte herrliche Tore, die das Ergebnis raffinierter Überlegungen darstellten und glänzte mit Flanken, die als beste Fußballshow gewertet werden durften. Er war robust, technisch versiert, intuitiv, sehr gelassen und schussstark in einem.

Der wendige Riese war ein Fußball-Denker, der mit einem Minimum an körperlichem Aufwand ein Maximum an Wirkung erzielte. Heiner Stuhlfauth sagte über ihn: “Schaffer hatte nicht den Ehrgeiz, viele Tore zu schießen, aber er hat seine Nebenspieler so bedient, dass sie die Tore schießen konnten, wie sie wollten. Er selbst hat wenig Tore geschossen, aber wenn er geschossen hat, dann war es bestimmt ein Tor! Der Spezi hat einen Kanonenschuss gehabt - Kreuzgigerigi! Bei einem Spiel gegen die SpVgg Fürth schoss er so scharf und schnell, dass der Schiedsrichter das Tor nicht gesehen hat. Der einzige Beweis war der Abdruck des feuchten Balles auf dem Hinterpfosten.”

Ein Wiener Fußballlexikon nannte ihn den “wohl attraktivsten europäischen Spieler seiner Zeit”. Der Frauenschwarm wollte nicht nur am Ball, sondern auch mit einem sauberen Trikot glänzen. Als der Ball einmal bei einem Spiel in einer Pfütze liegenblieb, wartete er, bis der Gegner ihn herausgeholt hatte, um diesem dann das Leder lässig vom Fuß zu spitzeln.

Ein andermal pfiff ihm ein Schiedsrichter zweimal hintereinander einen blitzsauber verwandelten Elfmeter ab. Schaffer legte den Ball mit stoischer Ruhe zum dritten Mal auf den Punkt und meinte: “Härr Schiedsrichtäär, Sie kennen pfeifen, was Sie wollen. Sie sagen, in welche Ecke, und ich schieße, bitte schähn!”

Natürlich gab es auch Kritiker, die ihn miesmachen wollten. Manche nannten ihn taktlos und eingebildet und warfen ihm vor, er habe das Auftreten und die Allüren einer Primadonna. Sie fanden, er sei häufig allzu bequem und phlegmatisch, weil er wenig lief und jede überflüssige Kraftvergeudung mied.

Hans Hofmann lobt ihn zwar einerseits als den besten und auffallendsten Mittelstürmer, den der Club bis Mitte der 30er Jahre je gehabt habe, stellte aber andererseits im Gegensatz zu so manchem überschwenglichen Verehrer Schaffers fest: “Als er zu uns kam, legte er sich in ein gemachtes Bett, und als er ging, hatte sich nichts geändert.”

In einer Zeit, als es noch keinen Fußballprofessionalismus gab, zog der dem angenehmen Leben nicht abgeneigte Schaffer immer dorthin, wo es dennoch etwas zu verdienen gab. Außer bei MTK Budapest und beim Club machte er noch bei vielen Vereinen in ganz Europa Station: beim FC Basel, bei Wacker München, bei den Wiener Amateuren, bei Sparta Prag. Später war er auch als Trainer wanderfreudig und recht erfolgreich. Unter anderem erreichte er 1934 mit dem Club die Vizemeisterschaft. Er war jedenfalls eine der ersten schillernden Figuren des kontinentalen Fußballs und lieferte viel Stoff für Anekdoten und Geschichten.

Da er blendend aussah und den echt ungarischen Charme hatte, waren die Frauen nach ihm verrückt. Aber der Spezi dachte nicht ans Heiraten. Als ewig schweifende Zigeunernatur wollte er frei und ungebunden leben. Zu Heiner Stuhlfauth sagte er: “Ich? Heiraten? Kommt gar nicht in Frage! Genau so wenig wie spar’n! Wenn i stirb, brauch i eh nix mehr! Ich will bloß 54 Jahr’ alt wer’n!”

Schon zu seiner Zeit in Budapest wollte er nur solange die Fußballstiefel schnüren, wie ihm der Verein auch entsprechende Einnahmen zusichern konnte. “Bin ich König von Fussball, muss ich, bittaschön, auch bezahlt werden wie Fürst”, hieß sein Grundsatz. Der Vorstand schanzte ihm daher ein Geschäft zu, damit er seine Existenz sichern könne. Schaffer aber hatte nichts Besseres zu tun, als ein Schild mit der Aufschrift “Geschlossen” an die Tür zu hängen und sich ins nächste Lokal zu setzen. Als ihn die Klubvorstände beschworen, doch endlich den Laden zu öffnen, reagierte er mit einer verblüffenden Logik: “Ist sich Schaffer ein Fußballer oder Geschäftsmann? Bittä sähr, er ist sich Fußballer. Wos soll er machen mit einer Geschäft? Muss er doch sein jeder Tag am Fußballplatz, bittä sähr!”

Dieser phänomenale Spieler, der mit MTK Budapest sechsmal ungarischer Meister geworden war, schloss sich völlig überraschend nach der Europatournee des MTK Budapest, bei der die Ungarn alles schlugen, was sich ihnen in den Weg stellte, dem 1. FCN an.

Über die Gründe seines Wechsels nach Nürnberg gibt es folgende Theorie: Schaffer war ein großer Sympathisant von Bela Kun. Dieser organisierte die ungarische kommunistische Partei und war entscheidend an der Installierung der Räterepublik in Ungarn vom 21. März bis 1. August 1919 beteiligt. Nach dem Zusammenbruch der Räterepublik floh Kun nach Österreich und von dort weiter in die UdSSR. Als Bewunderer der Ideen von Kun und nach Zerschlagung der roten Räterepublik befürchtete Schaffer mit Sicherheit auch negative Folgen für ihn. Deshalb setzte er sich kurze Zeit später ins Ausland ab.

Plausibler erscheint eine andere Erklärung: Er blieb, weil er rauswollte aus den ärmlichen Verhältnissen, in denen er in Budapest aufgewachsen war. Er hatte die Volksschule besucht und sich in allen möglichen Berufen versucht. Aber er war kein Freund geregelter Arbeit. Er war Fußballspieler und wollte nichts anderes sein. In Budapest war zu jener Zeit, unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, mit dem Fußballtalent jedoch nichts oder doch nur wenig zu verdienen. Die Konkurrenz war groß und das wirtschaftliche Elend noch größer. Auch in Deutschland sah es damals nicht zum besten aus. Aber es war doch ein himmelweiter Unterschied. Alfred Schaffer und seine Kameraden mussten ihre Sachen in Pappkartons verstauen, als sie zu ihrer Deutschlandtournee aufbrachen, und wer sie in Zivil sah, war geneigt, den Fußballkönig und seinen Hofstaat für Landstreicher zu halten.

In Nürnberg wurden er und der listige Szabo zunächst einmal von Kopf bis Fuß neu eingekleidet, und auch über ihr “Taschengeld” brauchten sich die beiden nicht zu beklagen. Offiziell war es zwar verboten, ihnen Geld zu geben. Aber auch damals gab es schon ungezählte Möglichkeiten, dem Amateurstatut ein Schnippchen zu schlagen. Schaffer selbst verriet nie, was er vom Club kassierte. Diskretion war für den Pseudo­Amateur, der sich selbst den Titel “Spieler-Trainer” gab, Ehrensache. Im vertrauten Kreis konnte es allerdings schon einmal passieren, dass er den Schleier etwas lüftete: “Waren heite nacht wiedärr Heinzelmännchen bei mir”, erzählte er einmal, als er etwas zu tief ins Glas geschaut hatte. “Hab ich gemacht Schubkastl von Nachttischchen auf und woos, bittaschön, war darinnän? Dreihundert Mark.”

Schaffers Debüt in der Club-Elf wurde allerdings kein rauschendes Fest. Heiner Träg und Luitpold Popp fanden zuerst keinen Kontakt mit dem “Mausfallen-Händler”, wie Träg anfangs den ungarischen Fußballkönig geringschätzig zu nennen pflegte.

Mit ihm kam jedoch der beste Mittelstürmer nach Nürnberg, den man bis dahin gesehen hatte, ein Spieler, der gleichzeitig als Trainer wirkte und die aufstrebende Clubmannschaft in die Geheimnisse ungarischer Fußballkunst einweihte. Er übte mit den Clubspielern das Stoppen, Passen und Schießen. Er führte ihnen das Repertoire seiner Täuschungsmanöver vor und zeigte ihnen, wie man auf der Grundlage durchdachten Stellungsspiels mit einem Minimum an körperlichem Aufwand ein Maximum an Wirkung erzielen kann.

Besondere Übungsstunden hielt er mit dem jungen Hans Kalb ab, als dessen Entdecker er gilt. Er förderte dessen Technik, seine Beweglichkeit und seine Gewandtheit, bis er das beidfüßige Fußballspiel wie im Traum beherrschte. Während er die Flügelspieler anwies, vorne zu lauern und sich freizulaufen, machte er Kalb vor, wie man schnelle Mitspieler mit langen Steil- und Diagonalpässen effektiv einsetzen kann.

Der Fürther Polensky, Schlussmann des MTV Fürth, hatte solche Angst vor Schaffer, dass ihm die Knie schlotterten, als der Club zum fälligen Punktspiel erschien. Als Schaffer jedoch nach einem herrlichen Alleingang das Leder über die Latte hob, schlug seine Furcht in einen Freudenausbruch um. Er schlug vor lauter Begeisterung einen Purzelbaum und drehte Schaffer eine lange Nase. Der rächte sich dann auf seine Art. Wieder startete er von der Spielfeldmitte aus zu einem seiner Slalomläufe. Er umdribbelte drei Fürther, lockte Polensky aus seinem Kasten, ging auch spielend leicht an diesem vorbei und spazierte mit dem Ball am Fuß ins Tor. Im Zurücklaufen klopfte er Polensky auf die Schultern und rief ihm zu: “Sind wir wiedärr quitt!”

Schaffer setzte, als ihm einmal der Schiedsrichter einen sicher verwandelten Elfmeter zweimal hintereinander abpfiff, zum dritten Mal in aller Seelenruhe den Ball auf die Marke und sagte brottrocken: “Härr Schiedsrichtärr, Sie können pfeifen, was Sie wollen. Sie sagen, in welche Eckäh, und ich schießäh. Bittäh schän!”

Schaffer galt in seiner Zeit als ein derart herausragender Ballvirtuose, dass ihm der Herausgeber der Zeitschrift “Fußball” kurzerhand den Titel “Fußballkönig” verpasste. Hans Pelzner urteilte 1922 über ihn: “Die Gastrolle Schaffers wirkte unzweifelhaft befruchtend - insbesondere sein Sichfreistellen.”

So wenig seine fußballerischen Qualitäten bezweifelt wurden, so sehr gehen jedoch die Meinungen darüber auseinander, wie weit der Ungar auf die Qualität des Clubspiels Einfluss nehmen konnte. Für den keineswegs bescheidenen Schaffer selbst war klar, dass ihm der Club im Grunde alles zu verdanken hatte. In einem Interview für eine ungarische Sportzeitung sagte er: “Man hat mich in Nürnberg direkt vergöttert, und die Mannschaft, die bisher eine unbedeutende Rolle im deutschen Fußball spielte, hat schon im ersten Jahr, als ich dort Amateurtrainer war, nicht nur die süddeutsche, sondern auch die Reichsmeisterschaft gewonnen.”

Eingefleischte Nürnberger wie Hans Hofmann sahen die Dinge freilich ganz anders: “Vor geraumer Zeit brachte eine hiesige Zeitung ein Interview mit dem ‘Fußballkönig’ Schaffer, worin sich dieser als derjenigen ausgab, der den 1. F.C.N. von seinem unbekannten Provinzdasein erlöst und zu der nunmehrigen Größe verholfen hat. Seiner Eitelkeit und maßlosen Eingebildetheit setzt er indessen noch die Krone auf, indem er sich als den Entdecker unseres Mittelläufers Kalb ausgibt, den er aus einer Schülermannschaft herausgezogen haben will. Eines ist so falsch wie das andere. Unser Club hat, bevor Schaffer nach Nürnberg kam, mehrmals die süddeutsche Meisterschaft gewonnen, außerdem auch den ‘Eisernen Fußball’, die Kriegsmeisterschaft. Kalb war bereits entdeckt und hat in der ersten Mannschaft erstmals als Stürmer gespielt, später dann aushilfsweise als Außenläufer. Als Schaffer zu unserm Verein kam, haben beide Spieler viel zusammen trainiert, tatsächlich hat Kalb durch dieses Training gewonnen, weil er eben noch jung und aufnahmefähig war. Einen ausgesprochenen Schafferschen Stil haben nur zwei Spieler angenommen, von denen nur noch einer, der junge Deinzer, in unseren Reihen wirkt. Der andere, Schmitt, spielt schon seit langer Zeit Mittelstürmer in Bingen. Unsere alten Spieler, wie sie seit Jahren in unserer Mannschaft stehen, haben von Schaffer nichts geerbt, sie spielen heute noch den Stil wie vor der Schafferperiode. Sie haben es lediglich verstanden, sich dem phänomenalen Können Schaffers als Mittelstürmer anzupassen, wie sie sich zuvor dem fast gleichwertigen Spiel unseres Böß angepasst haben und wie sie es ja nach dem Weggang Schaffers auch wieder tun mussten. Wir wollen es dem Herrn Schaffer nicht vergessen, dass er während seiner fünfmonatigen Tätigkeit bei uns ersprießliche Dienste geleistet hat, wir werden es aber auch nie vergessen, dass uns Schaffer bei dem Beginn der Spiele um die Süddeutsche Meisterschaft schnöde verlassen hat. Wir haben ohne ihn die süddeutsche Meisterschaft und im Anschluss daran die deutsche gewonnen und im darauffolgenden Jahre ebenfalls. Unser Böß war in seiner Glanzzeit ein ebenso guter Dirigent wie Schaffer, es fehlte ihm nur das Gewicht der Persönlichkeit.”

Im Juli 1924 schrieb die Vereinszeitung zu diesem Thema: “In Wien haben die Amateure die Meisterschaft errungen, man bringt diese Leistung mit dem Namen Schaffer in Verbindung, und die zwei führenden süddeutschen Sportzeitungen gestatten sich den überflüssigen Hinweis, dass Schaffer wie einst den 1. F.C.N. und Wacker nun auch die Amateure zum Sieg geführt hat. Der Schafferfimmel wird allmählich krankhaft, er ergreift auch jene Geister, von denen man annehmen müsste, dass es nicht ihr Geschäft ist, die Wahrheit auf den Kopf zu stellen.”

Einen Kompromiss zwischen beiden Meinungen vertritt der Clubarchivar Andreas Weiß. Er sagt, Hans Kalb sei vor Schaffer lediglich als Reservespieler aufgeboten gewesen, der Spezi habe aber sein Talent erst erkannt und ihn zum Klassespieler geformt. Zwar habe der Ungar nur wenige Monate das Clubtrikot getragen, “doch seine Fußballkunst hatte das Clubspiel derart befruchtet, dass auch ohne sein Mitwirken die deutsche Meisterschaft nach Zabo geholt werden konnte.”

Wie dem auch sei, fest steht, dass Hans Kalb und später auch Georg Hochgesang sowie Seppl Schmitt ganz dem Stil ihres großen Vorbilds Schaffer nacheiferten. Der “Geist Schaffers” wehte noch lange im Zabo.

1920 munkelte man, der DFB wolle Schaffer zum Profi erklären und deshalb sperren. Gott sei Dank war das Thema aber bald wieder ad acta gelegt.

1921 gewann Nürnberg die zweite Meisterschaft. Allerdings ohne Schaffer. Der war schon wieder weitergezogen zum FC Basel. Es ging mal wieder ums liebe Geld. Der Nürnberger Vorstand hatte seine Forderungen nicht entsprechend erfüllt. Nach nur fünf Monaten verließ er also den Zabo.

In Basel ließ er sich an den Einnahmen des Vereins prozentual beteiligen. Die Zuschauer strömten in Scharen herbei und Schaffer verdiente. Da trat der Vorstand an ihn heran: “Unsere frühere Vereinbarung können wir nicht mehr einhalten, sie verdienen sonst noch mehr als unser Bundespräsident.” Darauf entgegnete Schaffer: “Ja, einen neuen Bundespräsident können Sie alle Tag wählen, aber an neuen Fußballkönig kriegn’s so schnell nimmer.”

Ende 1920 wurde er von Wacker München eingekauft. Weil er als ausländischer Berufsspieler galt, verweigerte ihm der DFB jedoch die Spielerlaubnis. Wacker beschäftigte ihn deshalb zunächst als Trainer. Dann erschien in der Zeitschrift “Fußball” eine fingierte Verlobungsanzeige von Schaffer mit der Schwester des Wacker-Tormanns Bernstein. Diese Schwester Olga gab es zwar nicht, aber der DFB war überlistet und Schaffer erhielt als Verlobter ein Aufenthaltsrecht. Bezahlt wurde er aus einer schwarzen Kasse. Wacker München wurde kurz darauf die bayerische Fußballsensation und drang nach einem beispiellosen Siegeszug in der Meisterschaftsendrunde 1922 bis ins Halbfinale vor.

Während seiner Zeit bei Wacker musste Schaffer mit seiner Mannschaft auch einmal bei der SpVgg Fürth antreten. Nach dem Spiel fragte ihn ein Journalist: “Herr Schaffer, was sagen Sie jetzt zur Spielvereinigung?” Schaffert zögerte einen Moment und sagte dann laut und schallend: “Sie habäns immär noch nicht gelärnd!” Der Zeitungsmann war selbstredend nicht recht begeistert von dieser Auskunft.

Anschließend spielte er 1922 kurze Zeit für Sparta Prag. Allerdings wurde er im legendären Spiel gegen den FCN, das die Nürnberger als erste deutsche Mannschaft in Prag als Sieger vom Platz gehen sah, nicht aufgeboten. Hans Hofmann lieferte in der Vereinszeitung die Begründung: “Zweierlei Umstände waren es, die seine Aufstellung verhinderten. Einmal fehlte die Spielerlaubnis des süddeutschen Verbandes und zum anderen Mal ist man sich heute im A.C. Sparta noch nicht einig, ob Schaffer überhaupt in der ersten Mannschaft aufgestellt werden soll. Mehr wie anderswo spielt gerade in Prag der konservative Nationalismus eine Rolle und der Herr Vizepräsident Scheinoft wird es nicht gar so leicht haben, einmal von der landläufigen Gepflogenheit, die keine Ausländer in den ersten tschechischen Teams duldet, abzuweichen.” Danach kehrte er wieder zu MTK Budapest zurück

Beim Wiener Amateur-Sportverein, wo er 1922 anheuerte, erwies sich der Fußballkönig auch als Wettkönig. Oft rannte er während eines Spiels zur Ehrentribüne und wendete sich mit folgenden Worten an einen der dort sitzenden vermögenden Herren: “Ich wette, dass ich jetzt das Siegtor schießen werde. Wer setzt dagegen?” Fast immer gewann Schaffer. Angesagte Tore galten fortan als seine besondere Spezialität. Zur Ergänzung sei erwähnt, dass die Wiener Amateure der Vorgängerverein der späteren Austria Wien waren. Schaffer wurde mit ihnen Meister und Pokalsieger.

Von 1925 bis 1926 kehrte er wieder zu Sparta Prag zurück und führte die Mannschaft als Spielertrainer zur Meisterschaft. Von 1926 bis 1927 trainierte er den DSV München, kehrte dann aber von 1927 bis 1928 zu Wacker München zurück.

Im Jahr 1929 erhielt Schaffer ein Telegramm aus Wien. Absender war der Vorstand der Austria. Der Verein wollte seinen ehemaligen Starspieler erneut verpflichten. Schaffer antwortete: “Komme mit tausend Freuden. Monatsgage zweitausend Schilling.” Schlagfertig tickerte es kurz darauf aus Wien zurück: “Kommen Sie mit zweitausend Freuden. Monatsgage tausend Schilling.” Schaffer gab klein bei und kam tatsächlich für die Hälfte des geforderten Preises nach Wien.

Von nun an betätigte sich Schaffer nur noch als Trainer.

Im November 1930 schrieb die Frankfurter Zeitung: “Der Ungar Schaffer, heute Trainer des Berliner SV 92, darf für sich in Anspruch nehmen, der ungekrönte Fußballkönig des Kontinents gewesen zu sein. Er war ein Spieler, der keinen Schritt zu viel tat und keinen Schritt zu wenig, dessen peinliche Fairness ebenso gerühmt wurde wie seine unerreichte Virtuosität im Dribbeln und sein scharfer placierter Schuss, dem die Extraklasse der Torwächter machtlos gegenüberstand.”

Von Berlin verschlug es ihn wieder zu Wacker München und anschließend zu Eintracht Frankfurt.

Zur Winterpause 1933/34 übernahm Schaffer den Club als Trainer. Er begann seine Tätigkeit mit den Worten: “Bittä, kann ich nicht zaubern. Gebt mir gute Mannschaft und ich trainiere!” Als Klassespieler war er bewundert worden, aber als Trainer war der Ungar mit seiner etwas laschen Berufsauffassung nicht ganz unumstritten. Besonders wenn er im Clubheim beim Kartenspiel saß, wollte er durch unangenehme Trainingsarbeit nicht gestört werden. “Laufts a Rundn”, sagte er dann zu seinen Spielern. So beendete er üblicherweise auch jede Trainingseinheit. Schon halb im Weggehen rief er besagtes “Geht’s, lauft’s noch eine Runde!” und setzte sich ins Vereinsheim, um ungestört seinen Mokka zu trinken. In ihm steckte eben noch ein gutes Stück der alten k. u. k.-Mentalität, die sich das Leben so bequem wie nur möglich zu machen versuchte. Dementsprechend hielt er auch nichts von Konditionstraining. Doch unter dem Strich brachte Schaffer den Club vorwärts. “Mit ihm kam der Erfolg”, heißt es in der Vereinschronik, denn Schaffer brachte den Verein 1934 nach einer langen Pause wieder ins Finale um die deutsche Meisterschaft gegen Schalke 04.

Einen besonderen Platz nahm Schaffer in Baptist Reinmanns Bericht über die Madridreise des 1. FCN an Weihnachten 1934 ein: “Im Hotel wurden die Schuhe nicht geputzt und so mussten wir auf die Straße zu den Putzern. Diese waren natürlich ganz gerissene Kerle, und so musste Spieß dran glauben. Für diese Reise hatte er sich ganz neue Lackschuhe zugelegt, die durch die langen Tage das Putzen sehr nötig hatten. Gedacht, und geschehen war’s. Der Stiefelputzer hatte den Schuhen einen ganz wunderbaren Glanz hingearbeitet, und dessen Kollege hatte auch schon die Absätze, auf denen er nur vier Tage gelaufen war, heruntergerissen. Leider hatte dies Spieß zu spät gemerkt. Gummiabsätze waren nun nötig, die aber nach dem Anmachen auf keiner Seite passten. Der Spaß kostete ihm 8 Peseten = 2,40 Mark. Sein Ärger war natürlich unsere Schadenfreude. Einem Lachenden von uns ist dann aber dasselbe passiert, und zwar unserm lieben Spezi. Da war die Schadenfreude natürlich noch größer.”

Der liebenswürdige Ungar war aber nicht nur ein begnadeter Fußballspieler und Trainer, sondern auch eine Seele von einem Menschen. Am wohlsten fühlte sich der unkomplizierte Naturbursche, wenn er in einer speckigen Lederhose und mit hochgekrempelten Hemdsärmeln an einem blankgescheuerten Wirtshaustisch saß, eine Riesenportion Preßack und eine Maß Bier vor sich hatte und von einer geselligen Runde umgeben war, die er großzügig bewirten konnte. Er hatte eine besondere Vorliebe für Altnürnberger Lokale, in denen Butzenscheiben, Zinnkrüge und dunkle Holztäfelungen für eine gemütliche Stimmung sorgten. Abends steuerte er gerne idyllische Weinlokale an, trank einen Schoppen nach dem anderen und unterhielt die ganze Gesellschaft.

Am glücklichsten war er, wenn er einem anderen eine Freude bereiten konnte. Die Kinder seiner finanziell nicht so gut gestellten Bekannten hielten ihn wahrscheinlich für eine Art Weihnachtsmann, denn er überhäufte sie mit Geschenken. Und dass er Spieler, die arbeitslos waren, häufig freihielt, war für ihn Ehrensache.

Einmal zeigte ihm sein Lieblingsschüler Seppl Schmitt in einer fröhlichen Stammtischrunde einen Ring, den er zu einem Jubiläum bekommen hatte. Schaffer musterte ihn mit der kritischen Miene eines Sachverständigen und warf ihn kurzerhand zum Fenster hinaus. Der Tischrunde blieb vor Schreck der Mund offen stehen. Aber er beschwichtigte sie: “Wos is? Stein war sich nur Lapislazuli. Ist sich nicht schad drum. Aber Schaffer wird machen auf seine Goldkiste und wird schenken seine Freund Ring aus echtem Gold.” Selbstverständlich hielt er Wort. Seppl Schmitt hielt den Ring ein Leben lang in Ehren.

Im Jahr darauf heißt der Trainer des Club Dr. Michalke. Unter ihm gewinnt die Mannschaft den Tschammer-Pokal, der der Vorläufer des DFB-Pokals war. Nach dem Sieg über Schalke 04 telegrafiert Michalke an Schaffer: “Herr Schaffer, ich gratuliere. Das war Ihr Erfolg.”

1935 wechselte er zum FC Hungaria. Bei diesem Verein handelte es sich um seinen früheren Stammverein MTK. Schaffer gewann 1935 und 1936 mit ihm das ungarische Championat.

1938 war Schaffer der Trainer der ungarischen Nationalmannschaft bei der WM in Frankreich. Danach trainierte er Rapid Bukarest und den AS Rom, den er zu seiner ersten italienischen Meisterschaft führte.


Alfred Schaffer auf den Schultern der begeisterten römischen Anhänger
nach dem Gewinn der Meisterschaft

Anschließend kehrte er wieder nach Budapest zurück, holte mit Ferencváros zweimal den ungarischen Pokal und wechselte dann zum FC Bayern München, mit dem er 1945 Bayernmeister wurde.

In München führte er das Weinhaus “Kette”. Als aber ganze Straßenzüge vom Bombenhagel zerstört wurden, suchte er in Prien am Chiemsee Zuflucht.

Sein jäher Tod wirft viele Fragen auf. Am 30. August 1945 fand man auf dem Bahnhof von Prien in einem Zug einen Leichnam. Der Tod war vor ein paar Stunden eingetreten. Niemand kannte den Toten. Schließlich wurde er von einem Fußballanhänger identifiziert: Es war der große Alfred Schaffer. Warum er gestorben ist, blieb bis auf den heutigen Tag ein großes Rätsel. Dazu trug auch bei, dass in den hektischen Tagen kurz nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges keine Obduktion vorgenommen wurde. Deshalb gibt es nur die Vermutung, dass er an einem Herzversagen gestorben ist.

Nach seinem Tod fand er seine letzte Ruhestätte auf dem idyllischen Friedhof von Prien am Chiemsee.


Abbildung entnommen von
www.tusprien.de/fussball/schaffdonau

Der ehemalige österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky schrieb einmal voller Anerkennung über Alfred Schaffer: “Für mich war Schaffer ein Vorbild. Wie er den Ball bei sich behielt, so lange, bis irgendeiner gut platziert war und ihn dann abgab, damit der andere erfolgreich sein konnte, da habe ich viel Lebensweisheit mitbekommen. Man muss es gar nicht immer selbst sein, man sollte so gut sein, dass man den Erfolg eines anderen vorbereitet.”